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Angehende Ärztin studiert Medizin um dem Nachwuchsmangel bei Ärzten entgegen zu wirken
Africa Studio/Shutterstock

Nachwuchsmangel bei Ärzten: Ursachen, Folgen und mögliche Auswege

Nach Angaben der Bundesärztekammer stehen derzeit mehr als 20 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland kurz vor dem Ruhestand. Etwa 8,5 Prozent von ihnen haben bereits das 65. Lebensjahr überschritten. Rund 13 Prozent sind zwischen 60 und 65 Jahre alt. Damit dürfte sich die ohnehin schon angespannte Personalsituation im medizinischen Bereich noch weiter verschärfen. Insbesondere auf dem Land fehlt häufig der Nachwuchs. Doch auch Kliniken verzeichnen zunehmend Personalengpässe bei Fach- und Chefärzten.

In diesem Artikel:

Was sind die Gründe für den Nachwuchsmangel?

Der Nachwuchsmangel im ärztlichen Bereich hat unterschiedlichste Ursachen. Einerseits wächst die Zahl derer, die aus Altersgründen auf medizinische Hilfe angewiesen sind. Andererseits entscheiden sich immer mehr Absolventen von Medizinstudiengängen für eine Tätigkeit in der Forschung oder der Industrie. Die Arbeitsbedingungen in den Kliniken spielen ebenfalls eine Rolle. Viele junge Menschen können sich zwar eine Laufbahn als Ärztin oder Arzt vorstellen, aber nicht mehr um jeden Preis.

Der hohe Arbeitsdruck in den Krankenhäusern schreckt ebenso ab wie die unflexiblen Arbeitszeitmodelle und der Zeitaufwand für organisatorische und bürokratische Aufgaben bei einer selbstständigen ärztlichen Tätigkeit. Auch das unterdurchschnittliche Einkommen vor allem für junge Assistenzärzte trägt nicht eben zur Attraktivität des Berufs bei.

Aktuell schließen zudem mehr Frauen ein Medizinstudium ab als Männer. Häufig wollen diese nicht in Vollzeit arbeiten, um Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können. Dadurch entstehen Versorgungslücken, die sich durch den Nachwuchsmangel nur schwer füllen lassen.

Hinzu kommt, dass die Zahl der ausländischen Ärztinnen und Ärzte, die zuwandern immer langsamer ansteigt. Im Jahr 2021 wuchs die Zahl der Ärztinnen und Ärzte mit ausländischer Staatsangehörigkeit um nur rund 1.100 auf circa 57.200. Das entspricht einem Plus von 1,9 Prozent. In den Vorjahren lagen die Wachstumsraten bei sieben bis acht Prozent.

Hinzu kommt ein zu geringes Angebot an Studienplätzen für die Humanmedizin. Im Wintersemester 2021/22 gab es mehr als 45.000 Bewerber, aber trotz Nachwuchsmangel nur rund 10.000 Studienplätze. Angesichts der schlechten Zulassungschancen entscheiden sich zahlreiche Interessenten von vornherein dafür, ihr Medizinstudium im Ausland zu absolvieren. Viele davon suchen auch nach dem Studium ihr Glück in der Fremde.

Ein Nachwuchsarzt sitzt am Schreibtisch und macht sich Notizen
mrmohock/Shutterstock.com

Welche Folgen hat der Nachwuchsmangel?

Der Nachwuchsmangel im ärztlichen Bereich ist in vielen Regionen Deutschlands schon jetzt ein Problem. Speziell die flächendeckende hausärztliche Versorgung steht auf Messers Schneide. Oft arbeiten Hausärztinnen und -ärzte einige Jahre länger als ursprünglich geplant, bis sie endlich einen geeigneten Nachfolger finden. Gelingt das nicht, müssen sie die Praxis schließen. Für ihre Patienten bedeutet das meist eine langwierige Suche nach einem neuen Arzt oder einer neuen Ärztin. In vielen Fällen sind die verbleibenden Mediziner bereits so ausgelastet, dass sie niemanden mehr aufnehmen. Dadurch steigt die Zahl der Menschen, die überhaupt keinen Hausarzt haben.

Einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung zufolge werden bis zum Jahr 2035 rund 11.000 Hausärzte fehlen. Dadurch droht in nahezu 40 Prozent aller Landkreise eine medizinische Unterversorgung. Doch auch im fachärztlichen Bereich müssen sich vor allem Kassenpatienten auf zunehmend längere Wartezeiten und weitere Anfahrtswege einstellen. Häufig warten sie einige Wochen bis Monate auf einen Termin. Die Behandlungsqualität leidet ebenfalls unter dem Nachwuchsmangel. Das Mehr an Patienten führt dazu, dass Ärztinnen und Ärzte immer weniger Zeit für den Einzelnen haben.

In vielen Krankenhäusern führt der Nachwuchsmangel gleichermaßen zu Engpässen bei der Patientenversorgung. Nicht selten müssen Patienten länger auf einen Operationstermin warten. Auch die Wartezeiten in den Notaufnahmen erreichen immer wieder Negativrekorde. Zugleich verlängert sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer für die Patienten, wodurch wiederum die Kosten für die Kliniken steigen. Als Ausweg bleiben langfristig nur die gezielte Schwerpunktbildung und das Zusammenlegen und Zentralisieren von Fachbereichen. Insbesondere für Patienten im ländlichen Raum bedeutet das, dass die Entfernungen zu den Spezialistinnen und Spezialisten noch größer werden.

Arzt sitzt wegen Nachwuchsmangel verzweifelt am Tisch und hält sich die Hände vor das Gesicht
fizkes/Shutterstock.com

Was lässt sich gegen den Nachwuchsmangel im ärztlichen Bereich tun?

Um die Zahl an praktizierenden Ärztinnen und Ärzten zu erhöhen und damit dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, bedarf es einer Kombination verschiedener Maßnahmen. Dazu gehört zum einen, den Arztberuf attraktiver zu machen. Zum anderen ist es aber auch unverzichtbar, mehr Studienplätze zu schaffen und damit mehr Schulabgängern den Zugang zur Ärzteausbildung zu ermöglichen.

Um das Abwandern von Ärztinnen und Ärzten in andere Branchen oder ins Ausland zu verhindern, wäre die Erhöhung des Einkommens ein wichtiger erster Schritt. Ein zweiter bestünde in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer immer höheren Zahl an Medizinern ist es essentiell, die Struktur der Arbeitsplätze dahingehend zu ändern, dass die Familie neben dem Beruf nicht zu kurz kommt. Gerade in den in Krankenhäusern üblichen Schichtsystemen sollte es möglich sein, die Dienstzeiten planbar und frei von Überstunden zu organisieren sowie Teilzeitmodelle einzuführen.

Schwieriger wird es im Landarztbereich. Zu viel Bürokratie geht oftmals einher mit ungünstigen Rahmenbedingungen und einer wenig attraktiven Bezahlung. Reagieren müssen primär die Krankenkassen und Sozialversicherungen. Flexible Kassenverträge, die sowohl die individuellen Bedürfnisse von Ärztinnen und Ärzten berücksichtigen als auch regionale Versorgungsengpässe ausgleichen, wären ein Anfang. Darüber hinaus könnte eine verstärkte Digitalisierung in Hausarztpraxen einschließlich einer stärkeren Nutzung von Telemedizin die Arbeitsbedingungen verbessern.

Dass überhaupt genügend Ärztinnen und Ärzte verfügbar sind, lässt sich nur durch eine ausreichend hohe Zahl von Studienplätzen erreichen. Freie Kapazitäten ließen sich schon dadurch schaffen, dass neue Studiengänge für paramedizinische Fächer angeboten werden. Derzeit wird fast ein Viertel der Plätze in der Humanmedizin durch angehende Paramediziner besetzt.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mehr Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland anzuwerben. Dazu wäre es jedoch nötig, bürokratische Hürden bezüglich der Akzeptanz außerhalb Deutschlands erworbener medizinischer Abschlüsse abzubauen. Gerade die Ausbildung von Medizinern aus Drittstaaten erkennen die Behörden ohne zusätzliche Kenntnisprüfung nicht an. Die Wartezeiten hierfür liegen derzeit allerdings bei zweieinhalb Jahren.